3.2.8. Wurmlöcher und Warp-Antriebe

So schwer es mir fällt - weil ich Wissenschaft als rational verstehe -, will ich doch versuchen, die von der Theorie der Raumkrümmung abgeleitete Theorie der "Wurmlöcher" zu referieren. Damit meine intellektuelle Abwehr möglichst nicht zur Verformung des Referierten führt, will ich mich weitgehend auf wörtliche Zitate beschränken aus dem Beitrag eines fachlich ausgewiesenen Autors, Miguel Alcubierre (Warpantrieb - Wurmlöcher - Zeitreisen. G 70 - 76), der offenbar wirklich selber glaubt, was er da schreibt. Er ist promovierter Physiker und befasst sich im Max-Planck-Institut für Gravitationsphysik (Albert-Einstein-Institut) überwiegend mit numerischen Rechnungen zur Relativitätstheorie. Er geht aus von der Frage, ob es Reisen durch die Zeit geben kann (G 70): "Reisen durch den interstellaren Raum und Reisen durch die Zeit scheinen auf den ersten Blick zwei völlig verschiedene Dinge zu sein ... Einsteins Relativitätstheorie ... lehrt uns jedoch, dass Raum und Zeit in unserem Universum untrennbar miteinander verwoben sind. Reisen durch den interstellaren Raum und Reisen durch die Zeit sind daher lediglich zwei Seiten ein und derselben Medaille ..." Dann kommt ihm doch ein Bedenken auf: "Was mögliche interstellare Reisen der uns nachfolgenden Generationen angeht, stellt die unüberschreitbare Lichtgeschwindigkeitsgrenze ganz offensichtlich ein erhebliches Hindernis dar ..."(G 71). Nur ein erhebliches? Kein grundsätzliches? Für ihn sind dennoch Möglichkeiten vorstellbar, mit Hilfe der Einsteinschen Raumkrümmung die Einsteinsche Lichtgeschwindigkeitsgrenze zu umgehen (ich kann hier die Bemerkung nicht unterdrücken, dass auf ähnliche Weise früher die Scholastiker mit den Geboten ihres Gottes umgingen!). Alcubierre berichtet (G 74): "Eine dieser Möglichkeiten haben die Physiker Michael Morris und Kip Thorne ... untersucht. Ihre Idee ist, zwei räumlich entfernte Regionen der Raumzeit durch einen relativ kurzen Tunnel zu verbinden. Solch eine Verbindung, in der Fachliteratur (sic!) Wurmloch genannt, ist eine Abkürzung in der Raumzeitstruktur. Durch ein Wurmloch könnten wir in kurzer Zeit zu einem weit entfernten Stern reisen, ohne dabei die Lichtgeschwindigkeit überschreiten zu müssen ... Das Vorkommen von Wurmlöchern stellt keinen Widerspruch zu den Gesetzen der Allgemeinen Relativitätstheorie dar. Tatsächlich kann sogar jedes Schwarze Loch ein Wurmloch enthalten ... Noch interessanter ist, dass ein Schwarzes Loch - zumindest was den mathematischen Formalismus angeht - über eine sogenannte Einstein-Rosen-Brücke mit einem zweiten Schwarzen Loch, das zu einem anderen Universum gehört, verbunden sein kann. ...Physiker .. stellten .. fest, dass die Einstein-Rosen-Brücken für interstellare Reisen leider unbrauchbar sind: Die Verbindung zum anderen Universum zerreißt, noch bevor ein Raumschiff die Möglichkeit hätte, hindurchzuschlüpfen ... Erst Morris und Thorne setzten sich dann wieder ernsthaft mit der Theorie der Wurmlöcher auseinander ... Es stellte sich heraus, dass solche passierbaren Wurmlöcher nur durch die Anwesenheit von Materie mit einer negativen Gravitationswirkung existieren können" (G 75). Dieses Hindernis schien aber unter Rückgriff auf die Allgemeine Relativitätstheorie und die Quantentheorie überwindbar zu sein. So fragt Alcubierre weiter: "Womöglich benötigt man ein bereits vorhandenes Wurmloch, das man dann zur interstellaren Raumfahrt nur geöffnet halten muss. Doch woher soll man es nehmen?" Ich könnte Alcubierre zutrauen, eines zu finden.

Wenn insoweit für Alcubierre alles klar war, brauchte er eigentlich nur noch eine für Reisen mit Überlichtgeschwindigkeit geeignete Antriebsart. Der Autor hatte glücklicherweise schon im Jahre 1994 den sogenannten Warp-Antrieb vorgeschlagen ("eine bequeme Art der überlichtschnellen Fortbewegung", G 75), die begründet sei in der Möglichkeit des Raumes (!), zu kontrahieren und zu expandieren. Es müsste auf diese Weise auch möglich sein, den Abstand zwischen zwei Körpern mit beliebig hoher Überlichtgeschwindigkeit zu vergrößern, ohne die Körper selbst zu bewegen. Das ginge nach Alcubierre folgendermaßen: "Der Warp-Antrieb basiert auf einer lokalen Expansion des Raumes hinter dem Raumschiff und einer lokalen Kontraktion vor ihm. Auf diese Art vergrößert sich der Abstand zwischen dem Abflugsort und dem Raumschiff beständig, während es dem Ziel immer näher kommt. Das Raumschiff selbst rührt sich dabei überhaupt nicht von der Stelle; es verbleibt vielmehr in einer "Blase" mit flacher Raumzeit, so dass weder das Schiff noch die Besatzung irgendwelche Kräfte spüren. Die effektive Beschleunigung kann also durchaus sehr hohe Werte annehmen, ohne dass sie die Astronauten auch nur ein kleines bisschen in ihre Sitze presst... dabei sollte es uns nicht stören, dass zur Erzeugung der notwendigen Raumzeitkrümmung ebenfalls Materie mit negativer Gravitationswirkung erforderlich ist... Die Vorderseite der Raumzeitblase, in der sich das Raumschiff befindet, ist kausal unverbunden mit dem Inneren. Das Raumschiff hat also keine Kontrolle über die Blase (!), es kann sie weder selbst aufbauen, noch abschalten. Die Raumzeitkrümmung muss daher von außerhalb erzeugt werden. Man kann sich aber durchaus eine Kette von "Warpfeldgeneratoren" vorstellen, die längs des Weges zu einem anderen Stern aufgestellt sind und so synchronisiert wurden, dass sie sich jeweils einschalten, sobald ein Raumschiff den vorherigen Generator verlassen hat. So könnte das Schiff schneller als das Licht zu dem Stern reisen" (G 75).

So weit also der Warp-Antrieb zur technischen Realisierung von Überlichtgeschwindigkeiten und damit von Reisen in entfernte Galaxien und sogar längst vergangene Zeiten. Halt, da gibt es doch "noch eine Schwierigkeit .. : Überlichtgeschwindigkeit und Bewegung in die Vergangenheit sind logisch miteinander verknüpft" (G 76) - so weit, so gut, aber ..."Reisen in die Vergangenheit sind mit logischen Widersprüchen verknüpft ... ein Ausflug in vergangene Zeiten (führt) ... zu dem ..Großvater-Paradoxon". Ich will nicht versuchen, in diesem Referat auch noch den Enkel zum Zeugen der Stunde werden zu lassen, in der im Kämmerlein nebenan sein Großvater mit der Großmutter (beide natürlich als junge Leute) gerade seinen Vater zeugt. Selbst Alcubierre wird von der Skepsis einiger seiner Kollegen irritiert: "Diese Art von logischen Widersprüchen lässt viele Wissenschaftler glauben, dass Reisen in die Vergangenheit physikalisch unmöglich sind". Aber er setzt seine Überlegungen mit neuer Zuversicht fort: "Angesichts der vielen ungelösten Probleme, die im Zusammenhang mit Wurmlöchern und Warp-Antrieb auftauchen, ist zu erwarten, dass die Debatte um Reisen durch den interstellaren Raum und Reisen durch die Zeit noch einige Jahrzehnte anhält. Aber erst die Relativitätstheorie hat uns in die Lage versetzt, diese Debatte wissenschaftlich zu führen" (G 76). Wissenschaftlich?

Meine Schilderung von "Wurmlöchern" und Alcubierres "Warp-Antrieb" abschließend möchte ich diese Spekulationen, auch über "Einstein-Rosen-Brücken" und "Zeitreisen" (da fehlt nur noch, vollends ins Irreale gedacht, das "Beamen"), nun doch noch deutlicher kommentieren. Sie haben sich von solider Naturwissenschaft weit in Richtung auf reine Science Fiction entfernt, werden aber dem staunenden Laien als astrophysikalische Wissenschaft mit technischen Anwendungsmöglichkeiten verkauft. Wenn die Einsteinschen Relativitätstheorien, die Spezielle und die Allgemeine, zur Begründung solcher Phantastereien herangezogen werden können, weil sie solche Spekulationen erlauben oder sogar nahe legen, dann liegt der Schluss nahe, dass an diesen Theorien zumindest etwas falsch sein könnte. Denn auch ein wurmstichiger Apfel fällt nicht weit von seinem Stamm. War schon vorher der Wurm drin? Sachlicher formuliert meine ich, dass M. Alcubierre faktisch, wohl ohne dies selber zu intendieren, mit seinen Spekulationen den Einsteinschen Theorieansatz ad absurdum geführt hat. Könnte man vielleicht aus den kritisierbaren Konsequenzen der Relativitätstheorien rückschließen, worin deren Fehler lagen? Die Denkfehler, die schließlich zum Großvater-Paradoxon eskalierten, müssen schon vorher angelegt gewesen sein. Wahrscheinlich lagen sie im Versuch, die seit Newton fehlende physikalische Grundlegung der Gravitationstheorie durch immer weiter geführte mathematisch-geometrische Konstruktionen zu kompensieren, die zwar eine korrekte Beschreibung der gravitativen Vorgänge ermöglichten, dabei aber zu einer vertrackten Verdinglichung der gekrümmten Raumzeit führten. Mathematisch war gegen diese geometrische Theorie gar nichts einzuwenden. Aber die Auffassung, dass krumme Raumzeiten dann selber Wirklichkeitscharakter bekamen, dass sie selber Wirkungen auf Materie ausüben und selber von Materie verändert werden könnten, das scheint mir der Grundfehler zu sein, von dem alle weiteren Irrealitäten abgeleitet werden konnten.