3.1.4. Traumhaft-mythische Schwereerfahrungen

An dieser Stelle wäre als Nächstes der Frage nachzugehen, wie sich aus den Alltagserfahrungen von Schwere über lange Zeiten hinweg Theorien über Schwerkraft entwickelt und verändert haben, und ich könnte gleich mit einem Referat über Gravitationstheorien der Neuzeit, etwa ab Newton, beginnen. Aber da taucht doch noch einiges aus alten Zeiten auf, Mythisches oder auch Sagenhaftes, das ich wenigstens kurz ansprechen sollte. Es geht dabei um phantastische Aufhebungen und extreme Verstärkungen von Schwere. Wohl den meisten Menschen ist vertraut, dass sie im Traum manchmal schweben können. Das hat wohl auch etwas mit den spontanen Erektionen des männlichen Gliedes und der weiblichen Clitoris während der traumbestimmten REM-Phasen zu tun (REM = Rapid Eye Movements), in denen sich insbesondere beim Manne entgegen der Schwerkraft etwas aufrichtet, was ansonsten schlapp herunterhängt. "Echte" Geister können wohl auch ungeträumt schweben, jedenfalls haben sie etwas ungreifbar Luftiges, sogar Windiges an sich, zumindest in alten schottischen Schlössern, wenn sie Fensterläden knarren oder eine Gardine gespenstisch ins Zimmer wehen lassen. Die Seelen Verstorbener sind wie ein Hauch (lat. animus), der plötzlich aufkommt und wieder vergeht. Götter sind von größerer Dauer, sie können nicht nur überall auf Erden wandeln, sondern auch im Himmel ... schweben? Sie können von oben aus den Wolken Blitze schleudern und Regen spenden, aber umgekehrt auch von der Erde gen Himmel auffahren und die Seelen der Verstorbenen (vielleicht nicht aller, aber wenigstens der Heroen oder der Auserwählten) in himmlische Gefilde aufnehmen.

Gegen solche Vorstellungen einer Levitation stehen traumhafte Schwereerfahrungen der verschiedensten Art: Gleichermaßen traumbezogen wie das Schweben ist das Schweregefühl im Alptraum, manchmal in Traumwesen verkörpert, die als Alpdruck schwer auf dem Träumer lasten, ihm die Brust einengen und den Atem nehmen. Es gibt auch Träume, in denen man sich gegen irgendeinen zähen Widerstand weiterschleppt und trotz aller Bemühung kaum weiterkommt, sich kaum auf den eigenen Beinen halten kann. In einem Riesengebirgs-Märchen sieht ein Bergwanderer am Wegrand ein altes Mütterchen hocken, das in seiner Schwäche zusammengebrochen scheint und ihn flehentlich bittet, es zu Tal zu tragen. Der freundliche Mann setzt die Alte in seine Kiepe und trägt sie auf seinem Rücken, scheint ihr Gewicht kaum zu spüren. Doch dann wird sie immer schwerer und zugleich mächtiger, lässt sich nicht mehr absetzen, zwingt ihn, sie weiterzutragen, bis er unter ihrer zentnerschweren Last zusammenbricht. Und da ist noch der alte Mythos vom Riesen Atlas, der die ganze Welt auf seinen Schultern trägt und bis in alle Ewigkeit weitertragen muss.