2.4.10.3.2. Die antisemitische Komplizenschaft von Nazis und Christen und ihre Leugnung

Wenn man die Geschichte der Beziehungen zwischen den christlichen Kirchen und dem Nazi-Regime kennt, fällt ihre langjährige Zusammenarbeit im Kampf gegen den gottlosen Bolschewismus auf, eine Komplizenschaft, die katholischerseits sogar mit einem Konkordat besiegelt wurde. Es gab viele Christen beider Konfessionen, und zwar bis in die höchsten klerikalen Ränge, die in der Nazi-Zeit für den „Führer“ und seinen Sieg über den gottlosen Bolschewismus gebetet hatten und die noch 1939 am 50. Geburtstag Adolf Hitlers die Kirchenglocken läuten ließen (Ansgar Hense: Glockenläuten und Uhrenschlag. S. 97, 119 ff., 180 ff., eingehend besprochen im Abschnitt 4.2.2.). Christliche Kirchenfürsten ließen während des 2. Weltkrieges bei großen Siegen der deutschen Wehrmacht die Kirchenglocken läuten und sie dankten Gott nach dem fehlgeschlagenen Attentat auf Hitler (20. 7. 1944) für die wunderbare Errettung des Führers, nachdem Hitler die Explosion weitgehend unverletzt überlebt hatte.

So lag es nahe, dass nach dem Kriege Vertreter der christlichen Kirchen versucht haben, von dieser peinlichen Nähe zum Nazi-Regime abzulenken und sie möglichst ganz zu vertuschen. Wenn teilweise dieselben Personen, in jedem Falle aber ihre Mitbrüder, sich nach dem Untergang des Nazi-Regimes als antifaschistische Widerstandskämpfer ausgaben und konsequenterweise den Nazi-Antisemitismus als biologistisch-rassistisch begründet interpretierten bzw. als „sozialdarwinistisch“ auf den Biologen Charles Darwin zurückführten, dann war das eine bloße Schutzbehauptung von der Art, wie wenn der flüchtige Dieb ruft: „Haltet den Dieb!“ und dabei auf andere Personen zeigt, die es gerade eilig haben. Mit dieser Ablenkung auf Andere kann er erreichen, nicht selber entdeckt, gefasst und verurteilt zu werden.. Dementsprechend wird mit der Diskussion über „Rassismus“ und „Sozialdarwinismus“ versucht, die doch allbekannte historische Tatsache zu verdunkeln, dass der Antisemitismus so alt ist wie die Schriften des Neuen Testaments, in denen „die Juden“ (also die Glaubensgenossen des Jesus!) zu „Gottesmördern“ erklärt wurden. Die über Jahrhunderte immer wieder kirchlich verordneten oder zumindest sanktionierten (geheiligten und gerechtfertigten) Judenverfolgungen bis zur Massenvertreibung und zum Massenmord waren und sind noch bis heute Schandflecken der Geschichte des Christentums. Denn christlich motivierte Pogrome gegen Juden gab es noch bis in unsere Zeit, so 1941 im ostpolnischen Städtchen Jedwabne und noch nach dem Kriegsende in von den deutschen „Säuberungsaktionen“ schon fast „judenfrei“ gemachten Gebieten Osteuropas (DIE ZEIT, 3. 2. 2005). Die Untat in Jedwabne, die Verbrennung der in einer Scheune eingepferchten ortsansässigen Juden, war zwar von nazideutschen Judenhassern voll gebilligt, hatte aber in den polnischen Tätern eine christkatholische Tradition der Judenverfolgung vergangener Jahrhunderte bruchlos fortgesetzt, und sie wurde dementsprechend vom örtlichen katholischen Klerus gedeckt und bis heute zu verschweigen versucht. Was aber in diesem Kontext wichtiger ist: der im Massenmord an den Juden gipfelnde Antisemitismus Hitlers war in seinen Ursprüngen und in der längsten Zeit seiner historischen Entwicklung christlich begründet und motiviert. Diese bittere Wahrheit wird aber heute von den christlichen Kirchen mit allen Mitteln unterschlagen und durch entlastende Fehlinterpretationen verdeckt. Solcher Apologetik bietet der Vorwurf des Sozialdarwinismus zugleich auch die Möglichkeit, die Evolutionstheorie und insgesamt die wissenschaftliche Aufklärung an den Pranger zu stellen und für die Verirrungen Hitlers und seiner Nazis verantwortlich zu machen.