2.4.5. Sicheinschalten als Hilfe und als Ausnutzung

Inhaltsverzeichnis

2.4.5.1. Problemlage
2.4.5.2. Hilfe!

2.4.5.1. Problemlage

Manche Dinge kommen ohne Einschaltung eines weiteren Beteiligten nicht ins Lot. Es gibt nicht nur den störenden, sondern auch den hilfreichen Dritten. Solche Einschaltung ist vergleichbar dem, was wir als Katalyse kennen, die in einem Katalysator, z. B. im „Kat“ des Kraftwagen-Motors geschieht. Da ist so etwas wie ein Netz oder ein Schwamm aus Platin, der von heißen Abgasen durchströmt wird, unter ihnen bestimmte giftige Verbindungen, die nach dem Kontakt mit dem Katalysator in einer gewünschten anderen, für die Umwelt unschädlichen Zusammensetzung herauskommen. Dabei bleibt der Katalysator selber unverändert und es wird kein Milligramm des Katalysatormaterials verbraucht.

Es kann schon ganz nützlich sein, wenn ein psychisch gestörter oder kranker Mensch einen kompetenten Psychotherapeuten zu Rate zieht und ihn in seine eigenen bisher fehlgeschlagenen Problemlösungsversuche einzuschalten versucht. Manchmal wird es notwendig, dass ein im Sozialpsychiatrischen Dienst tätiger Psychiater sich selber einschaltet und den hilfsbedürftigen psychisch Kranken vor Ort aufsucht, etwa wenn dieser keine Krankheitseinsicht hat und sich selbst oder andere Personen ernsthaft zu schädigen droht. Aber für alle Fälle gilt, dass ein solcher Helfer, der sich zunächst für seinen Klienten oder Patienten nützlich gemacht hat, früh genug auch darauf achtet, sich schließlich für diesen Jemand überflüssig werden zu lassen.

Ich muss einräumen, dass dieses Modell in der Psychotherapie nicht immer ganz so funktioniert: Manchmal hapert es am erwünschten Nützlichwerden für den Patienten, manchmal bleibt der Therapeut im Verlauf seines Therapierens nicht unverändert, ja er könnte selber Schaden nehmen. Auch das baldige Überflüssigwerden der eingeschalteten Hilfe kann verfehlt werden: Zumindest gibt es Patienten, die ihren Therapeuten länger als eigentlich nötig in Anspruch nehmen wollen und ihn anscheinend weiterhin brauchen, die es ihm jedenfalls erschweren oder unmöglich machen, sich wieder auszuklinken. Es ist sogar als Kunstfehler einzuschätzen, wenn der Therapeut selber keine Anstalten macht, sich allmählich für den Patienten überflüssig werden zu lassen, was zumindest in den Fällen gefordert ist, in den auf Seiten des Patienten die Voraussetzungen dafür gegeben sind, ihm eine nur vorübergehende Hilfe zur Selbsthilfe zu vermitteln. Es versteht sich von selbst, dass auch bei schwierigeren Fällen zumindest in der Endphase einer Psychotherapie die zunehmende Ersetzung der Fremdhilfe durch den Aufbau von Selbsthilfemöglichkeiten das zentrale Ziel der Behandlung sein sollte. Um es etwas technisch auszudrücken: Die Schleife, die darin besteht, dass in fehlgeschlagene Problemlösungs-Versuche eines Menschen ein Helfer eingeschaltet wird, der sich für diesen Menschen nützlich zu machen versucht, um sich später für diesen Jemand überflüssig werden zu lassen, die sollte zeitlich und im dazu eingesetzten Aufwand nicht unnötig vergrößert werden.

Das wird vielleicht noch verständlicher, wenn wir uns kurz mit einem Gegenmodell befassen, in dem die Einschaltung eines Anderen oder Dritten auf die Ausnutzung eines Hilfsbedürftigen angelegt ist. Das schließt dann ein, dass der vorgebliche „Helfer“ sich als einzige Rettung anbietet, eine Abhängigkeit des Hilfsbedürftigen von ihm aufzubauen und zu festigen versucht, und sich damit auf Dauer unersetzlich macht und den Hilfsbedürftigen in einer lebenslangen und sogar über den Tod hinaus reichenden Bindung festhält. Der Helfer achtet dabei natürlich auf seinen eigenen Profit, der daraus resultieren kann, dass es leichter ist, vielen Menschen etwas zu versprechen, als einem Menschen wirklich zu helfen. Selbst wenn diese Vielen nur geringe „Spenden“ zu leisten oder Zinsen (an den Kredithai) zu zahlen haben, kann der vorgebliche Helfer gut davon leben oder sogar Reichtümer ansammeln. Ich denke dabei gar nicht nur an die kleinen Gauner. Es gibt auch Menschheitsbeglücker, die von dem, was sie den hilfsbedürftig bleibenden Abhängigen aus der Tasche ziehen, reich und sogar mächtig werden können, und das gilt nicht nur für ausnutzerische Einzelpersonen, sondern auch für große und sogar weltweit agierende Institutionen. Die Hilfsbedürftigen werden von ihnen dazu angehalten, vor allem an den Helfer und seine Hilfe zu „glauben“, und ggf. diesem alles zu „opfern“. Aber das sind Dinge, die ich schon im Kapitel Monotheismuskritik diskutiert habe. Selbst Jesus von Nazareth war nicht frei von solchen Tendenzen, wenn er tatsächlich gesagt haben sollte: „Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben“. Wer’s glaubt, wird selig!